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Parchims Mühlen und die Firma O.C.D. Mencke

Passend zur bald anstehenden Eröffnung der Kulturmühle Parchim befassen wir uns heute mit der Geschichte der ehemaligen Mühle, der Firma O. C. D. Mencke und mit der Familie Mencke.

Für die Recherche kamen uns Unterlagen zugute, die ca. 2019 von unserem Archiv aus der Mühle übernommen wurden. Hierbei handelte es sich überwiegend um Baupläne aus den 1980er Jahren, aber auch um ältere Baupläne und etwas Chronikmaterial. Darunter befand sich ein Blatt, ausgerissen aus einem Buch oder Heft, dem keine weiteren Daten entnommen werden konnten. Auf einer Abschrift dieses Blattes stand handschriftlich notiert „Deutscher Jubiläums-Verlag Leipzig, 1. Auflage 1928“. Hierbei handelt es sich wohl um einen Verlag, der in den 1920ern veröffentlichte, doch leider ergab die Recherche nur wenige Anhaltspunkte. Anhand anderer Veröffentlichungen ist jedoch davon auszugehen, dass es sich um einen Jubiläumsbericht zu Handwerksfirmen handelte.

Außerdem findet sich in den Unterlagen von der Mühle ein Brief eines Nachfahren des Firmengründers. Dieser legte die Firmenhistorie anhand der Unterlagen seines Vaters dar. Ein paar Details unterscheiden sich zu den Angaben des Jubiläums-Verlags, doch überwiegend stimmen die Angaben überein. Eine Tabelle zum Vergleich der beiden Schriftstücke finden Sie am Ende des Beitrages, vor den Fotos.

Neubau einer Korn- und Ölmühle 1877

Hierbei handelt es sich wohl um den Vorgänger der heutigen Mühle, da diese Mühle laut dem Schreiben von A.-C. Heucke 1896 abbrannte. Vorhanden sind hier vor allem Rechnungen und Schreiben, in denen Aufträge erteilt werden, oder in denen die Rechnungen diskutiert werden. Auch Kostenanschläge und Materiallisten sind vorhanden. Ein Streitpunkt waren zum Beispiel die Auflistungen der Wochenstunden von den Bauarbeitern, beziehungsweise wie die Überstunden ausgeglichen werden sollen.

Da all diese Dokumente aus dem Jahr 1877 stammen, sind sie in altdeutscher Handschrift geschrieben. Damit Sie sich vorstellen können, wie so ein Schreiben ausgesehen haben kann, haben wir einen Ausschnitt für Sie transkribiert:


Dörffurt & Bardey                                                                                                          Berlin den 2ten Juli 1877

Berlin, N.                                            Herrn O. C. D. Mencke

Scharnhorst Str. 22                                                                         Parchim

Ihr werthes Schreiben vom 29ten v. M. haben wir erhalten und ersehen daraus, daß wieder

einmal Irrthümer und Mißverständnisse ihr arges Wesen zwischen uns treiben.

Bei seiner Anwesenheit in Parchim, wohl Ende März, antwortete B. mündlich auf Ihre

gef. Anfrage nach dem Kostenpreise der Eisentheile eines jeden Mahlganges oder eines Mahlganges,

„daß wir in früherer Zeit bei I. C. Freund & Comp“ pr. Gang 500 rh. [Abbreviatur für Reichsthaler] (= 1500 Mark) gerechnet

hätten, bei welchem Preise ein von der Maschinenfabrik nicht zu lieferndes hölzernes Gerüst,

jedoch mit guß. Querbalken angenommen sei. Bei den jetzigen niedrigen Materialpreisen

würden die Theile evtl. Holz vielleicht auf 400 [Abbreviatur für Reichsthaler] zu stehen kommen. Sollten die Gänge

jedoch“, so führte B. weiter aus, „mit eisernen Gerüsten ausgestattet werden, so hofften wir

auch diese vollständig aus Eisen Stahl u. Metall bestehenden Gänge für den früheren Preis von

500 [Abbreviatur für Reichsthaler] liefern zu können.“


Schnell fällt auf, dass sich nicht nur das Alphabet, also die einzelnen Buchstaben, unterscheiden, sondern auch die Rechtschreibung. In vielen Wörtern ist nach dem „t“ ein „h“ vorhanden, wie zum Beispiel in dem Wort „“Irrthümer“. Das doppel-„s“ wurde oft als „ß“ geschrieben und auch Formulierungen, wie zum Beispiel bei Anrede und Grußformel (in diesem Schreiben „Hochachtungsvoll ergebenst“), unterscheiden sich zu den heute gängigen.

Aufstockung der Mühle 1928

1928 wurde laut dem Schreiben von A.-C. Heucke die heutige Parchimer Mühle um zwei weitere Geschosse ausgebaut. Hierzu sind neben Rechnungen und Schriftverkehr auch ein Bauplan vorhanden.

Zuerst zum Schriftverkehr:

Von Juni bis August verhandelte die Mühle bezüglich 5 Abdeckplanen, welche einfach als “Decken“ bezeichnet wurden. Genauer gesagt handelte es sich um regenfeste Decken zum Abschirmen der Maschinen während des Umbaus. Der Auftrag ging an die „Mecklenburgische Getreidegroßhandelsgesellschaft mbH“ aus Schwerin. Diese hatten diese Decken zu dem Zeitpunkt nicht im Sortiment, sodass die Anfrage von ihnen an die Firma „Deckenverleih Kehrwieder GmbH“ ebenfalls aus Schwerin weitergeleitet wurde. Das Angebot lautete wie folgt: 1 Reichsmark pro Stück und Tag.

Um den Bedarf an (unter anderem) Holz- und Schlüsselschrauben zu decken, schrieb die Mühle im August mindestens zwei Firmen an, deren Angebote recht ähnlich klangen. Dabei handelte es sich um die Firma „Peter Hansen – Holz- und Schlüsselschrauben, Drahtstifte, Flintsteinpapier, Eisenwaren“ und „Otto Hartung – Eisen- und Stahlwaren, Kohlen, Tröge, Öfen, Herde, etc.“. Deren Preise ähnelten sich überwiegend, wobei die erste Firma (Transportkosten nicht eingerechnet) doch ein etwas günstigeres Angebot für die Materialien machte.

Der Bauplan hingegen wirkt auf den ersten Blick gar nicht so alt. Die Schrift ist lesbar und das Papier macht auch erst einmal einen relativ stabilen Eindruck. Es handelt sich um einen Montageplan zur Weizenmühle im Maßstab 1:50. Sobald man jedoch versucht den Plan auseinanderzufalten, sieht man ihm sein Alter schon etwas mehr an: Nach 94 Jahren sind die Faltstellen teilweise auseinandergerissen oder spröde, das Papier etwas spröde.

Der Montageplan zeigt einen Längsschnitt und einen Querschnitt der Mühle, inklusive der neuen Geschosse. Der Plan wurde auch farblich gestaltet, was bei neueren Plänen seltener zu finden ist, wobei mit „neueren“ Pläne vor 1990 gemeint sind.

Geschichte der Firma und der Familie

Schreiben von einem Nachfahren der Familie Mencke

Seiten des Dt. Jubiläums-Verlags Leipzig, 1928

September 1809: Firmengründung von Otto Christian Daniel Mencke (1779–1831), Handel mit Materialwaren, Drogen (pharmazeutische Mittel), später Getreidehandel.

September 1809: Firmengründung von Otto Christian Daniel Mencke, Handel mit Materialwaren, Drogen (pharmazeutische Mittel), später Getreidehandel.

06.06.1831: Mencke verstirbt, Witwe stellt auf Rat eines Freundes Albert Heucke (1810–1894) ein.

1831: Mencke verstirbt, auf Bitte seiner Witwe sendet Firma „Conrad H. Marncke“ den 21-jährigen Handlungsgehilfen Albert Heucke

1834: Albert Heucke heiratet Ida Mencke (Tochter O.C.D. Menckes).

Witwe Mencke überträgt Firma an Sohn August Mencke und Schwiegersohn Albert Heucke.

Getreidegeschäft wird ausgebaut.

Städtische Lohnmühle gepachtet, daneben Gipsmühle betrieben.

Undatiert: Korngeschäft weiter ausgebaut, Lohmühle an Elde gepachtet und später von Stadt abgekauft.

Um Gipsmühle erweitert

     > Wussten Sie schon?
        Gips ist zu diesem Zeitpunkt der einzige mineralische Dünger

1842: Kauf Grundstücke am Fischerdamm und Bau einer Ölmühle

1848: Loh-Gipsmühle abgebrannt.

1857: Übernahme Pacht städtischer Wassermühle am Fischerdamm, dann modern ausgebaut.

August Mencke tritt aus Firma aus.

1850er: Übernahme Pacht der Kornmühle am Fischerdamm und Umbau.

1863: Eintritt Albert Heucke (1838–1921) Sohn von Albert Heucke in Geschäftsleitung.

1860er: Aufgabe Materialgeschäft.

Eintritt Albert Heucke als Mitinhaber.

1869: Materialgeschäft wird aufgegeben.

Undatiert: Aufnahme Export Weizenmehl über Hamburg nach Schottland.

1870er: Export Weizenmehl nach Schottland.

1877: Pacht an städtischer Wassermühle aufgegeben.

Bau einer Kornmühle mit Dampfkraft.

Ölmühle wird in ein anderes Gebäude verlegt.

(Hier handschriftliche Notiz unbekannter Person: „1937 im Parchimer-Tageblatt 60-jähriges Jubiläum erwähnt (Ostern)“ und beim Datum 1877:„? 75*“

1875: Pacht der städtischen Kornmühle abgegeben.

Firma baut Kornmühle mit Dampfkraft.

Erich Heucke wird zu Mitinhaber.

Undatiert: Bau einer Ölmühle zur Verarbeitung von Raps und Rüben zu Rüböl (als Speiseöl bzw. zur Beleuchtung)

     > Wussten Sie schon?

        Ab dem 16. Jahrhundert wurde unter anderem Raps- und Rüböl zur Beleuchtung verwendet. Bei Rüböl handelt es sich nicht um Öl aus Rüben, sondern „Rübsen“. Hierbei handelt es sich um eine dem Raps ähnliche Pflanze.

1878: Eintritt Geschäftsleitung Sohn Erich Heucke (1848–1915)

1894: Albert Heucke (Vater) verstirbt, Söhne führen die Firma weiter (Albert und Erich)

1894: Albert Heucke (Vater) verstirbt.

1896: Korn- und Ölmühle durch Brand komplett zerstört.

1986: Korn- und Ölmühle und Speicher verbrennen.

1897: Neubau der Kornmühle; Ölmühle wird nicht neu gebaut, Zuckerrübenanbau verdrängt Ölsaatanbau; bauen stattdessen Speicher.

Albert Heucke (Sohn, 1838–1921) scheidet aus Firma aus.

1897: Neubau Mühle und Speicher; nicht Ölmühle, da Raps durch geringe Verwendung von Rüböl wenig angebaut wird.

Albert Heucke scheidet aus Firma aus.

1901: Max Heucke (1868–1945, Sohn Albert Heucke) übernimmt Firmenanteil seines Vaters als Mitinhaber.

1901: Albert Heuckes Sohn Max wird zu Mitinhaber

1902: städtische Wassermühle wird nicht weiter gepachtet und Weizenmühle in neues Gebäude verlegt.

1909: Erich Heucke (1848–1915) scheidet aus, übergibt seinem Sohn Albert (1883–1954) seinen Geschäftsanteil.

1909: Erich Heucke scheidet aus, übergibt seinem Sohn Albert seinen Geschäftsanteil.

(Von hier an nur noch das Schreiben von A.-C. Heucke, 1981)

1911: Modernisierung Weizenmühle

1914: Modernisierung Dampfmaschine

1914–1918: Max Heucke leitet während des Krieges die Firma alleine.

1928: Modernisierung der Weizenmühle, plus zwei Geschosse.

01.07.1932: Max Heucke (1868–1945) scheidet aus, Sohn Albert Erich (1898–1987) übernimmt seine Anteile.

26.06.1933: Fehler bei der Dampfmaschine. Maschinenhaus wird zerstört, Schwungrad zerrissen, schwere Teile landen vor dem Gebäude auf der Straße, kurz bevor Kinderfestzug vorbeizieht, keine Verletzten.

Neubau durch Regierungsbürgschaft.

1934: durch staatlich angeordnete Mühlenkontingentierung nur noch ein Kontingent von 45% der Kapazität.

1939–1945: Albert Erich Heucke leitet Mühle alleine, Albert Heucke und 10 Firmenangehörige in Kriegsdienst eingezogen.

Auslastung wieder bei 100%

Mai 1942: Funken durch gelöste Elevatorschraube im Mahlgang löst Feuer aus, beschränkt sich durch Brandschutzwände auf Mühle.

Schaden durch Neuwert- und Betriebsunterbrechungsversicherung gedeckt.

02.08.1944: Läuft wieder als kombinierte Mühle, Kapazität 35t statt 50t Tagesleistung.

05.05.1945: Mühle von sowjetischer Militärverwaltung beschlagnahmt

10.05.1945: Albert Erich Heucke verhaftet

04.06.1945: Albert Heucke verhaftet

Schwager Martin Krüger zu Treuhändler ernannt.

21.04.1947: Firma durch Länderkommission für Sequestierung auf Liste A (Enteignung) gesetzt.

20.10.1947: Eintragung ins Handelsregister A Band 1, Parchim, Nr. 127.

Das Vermögen wurde enteignet und ging in Besitz des Landes Mecklenburg.

26.06.1948: Firma O. C. D. Mencke Mühlenwerke Parchim wird im Handelsregister gelöscht.

Bertieb wird als VEB Mühlenwerke Parchim weitergeführt.

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08.05.2023