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Das dritte Ausbildungsjahr

Auch im dritten Jahr blieb unsere Auszubildende (mittlerweile ausgelernt) als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, Archiv (kurz FaMI) zum Glück vor weiteren Katastrophen verschont. Das heißt, sie wurde nicht von weiteren Wasserschäden überrascht, wie im ersten Jahr (s. das Erste Ausbildungsjahr link). Man könnte vielleicht meinen, so ganz ohne Havarie wäre der Archivalltag trocken oder langweilig, doch zum Glück gibt es immer genug zu tun. Dabei war ein Großteil der Archivarbeit schon vor Abschluss der Ausbildung Routine, ein paar neue Themengebiete bzw. die Vertiefung bekannter Gebiete blieben trotzdem nicht aus.

Bekannt ist aus dem zweiten Lehrjahr bereits die Arbeit an einzelnen Beständen. Es werden nicht nur Akten von den Fachdiensten übernommen, auch vorhandene Bestände müssen manchmal aufgearbeitet werden, vor allem alte Bestände. Dies schließt sowohl die Umverpackung in neue Archivkartons ein, als auch die Erschließung. Gerade bei der Erschließung sind Eigenständigkeit und Fachwissen Voraussetzung. Denn wenn nicht die Daten erfasst werden, die den Anfragenden bekannt sind, können die richtigen Akten nicht wiedergefunden werden. Gleichzeitig muss die Erfassung so kurzgehalten werden, dass sie übersichtlich ist und die Bearbeitung im zeitlichen Rahmen bleibt. Hier wurde im dritten Lehrjahr mehr Verantwortung übergeben und es musste selbstständig gearbeitet und entschieden werden.

Sehr wichtig und weniger bekannt ist in diesem Lehrjahr die sogenannte „Bewertung“. Hier wird beurteilt, welche Unterlagen einen bleibenden Wert für zum Beispiel Geschichte, Gesellschaft oder Kultur haben. Das heißt, hier wird entschieden, was in 10, 20, 50 Jahren noch in Archiven einsehbar ist – oder eben nicht. Einer Rechnung für 20 Bleistifte würde vielleicht weniger Wert zugeschrieben, als der Bauakte eines Hauses. Die Bleistifte wurden wahrscheinlich innerhalb weniger Jahre aufgebraucht und zu dessen Kauf sollten im Nachhinein kaum Fragen auftreten können. Gebäude hingegen verbleiben oft viele Jahrzehnte, auch Jahrhunderte. Bei Kauf, Verkauf oder Sanierung zum Beispiel können alte Unterlagen wieder benötigt werden.

Gleichzeitig könnte ein Archivar aber argumentieren, dass es in 100 Jahren durchaus interessant wäre, wie eine Bürorechnung damals ausgesehen hat. Welche Gegenstände wurden im Alltag gebraucht, in welchen Massen und zu welchem Preis? All dies gibt Aufschluss dazu, wie vor vielen Jahrzehnten gearbeitet wurde, aber auch über Anzahl der Mitarbeiter oder die Arbeitsweisen. Zu diesem Beispiel: Würde es in dem Fall der Bürorechnung schon reichen, nur alle paar Jahre ein paar Rechnungen aufzubewahren? Oder sind diese Unterlagen schlussendlich doch nur Altpapier?

Hierzu gibt es keine richtige oder falsche Antwort. Verschiedene Archivare würden unterschiedlich entscheiden. Da zeigt sich schnell, wie viel Verantwortung in diesen Bewertungsentscheidungen steckt, denn was einmal kassiert (vernichtet) wurde, ist nicht wiederherzustellen. Bleistiftrechnungen sind ein eher einfaches Thema, doch muss diese Bewertungsfrage auch bei anderen, komplizierteren, Unterlagen getroffen werden.

Zu der Bewertung gibt es natürlich noch viel mehr zu erklären, doch darum soll es in diesem Beitrag nicht gehen.

Zurück zum dritten Lehrjahr.

Eines der nicht neuen aber vertieften Themen ist die Benutzerarbeit. Dies ist ebenfalls eines der größten und wichtigsten Themen des Lehrjahres und auch insgesamt eines der wichtigsten Felder der Archivarbeit. Akten und Archivgut werden nicht nur des reinen Erhaltens halber aufbewahrt, die Unterlagen sollen, soweit möglich, zugänglich sein. Ob Ahnenforschung, Recherche für Chroniken oder ganz andere Themen, die Unterlagen sollen als Informationsquelle dienen. Gleichzeitig hat das Archiv, als Dienstleister, die Aufgabe den Anfragenden so gut wie möglich zu helfen.

Wie sieht ein Nutzerantrag aus, blanko und richtig ausgefüllt, und worauf muss bei einer Archivsatzung geachtet werden? Welche Personen dürfen welche Unterlagen einsehen und welche Daten müssen vielleicht geschwärzt werden? Natürlich gibt es hierfür auch Gesetze und Vorschriften. Ganz so einfach ist die Umsetzung in der Praxis allerdings nicht immer und deswegen wird diese Arbeit weiter vertieft.

In diesem Lehrjahr musste nicht nur selbstständig nach gefragten Unterlagen recherchiert werden, sondern auch der Kontakt zu Kollegen und Nutzern lief in eigener Verantwortung. Bevor eine Akte an eine anfragende Person herausgegeben werden darf, muss erst geprüft werden, ob dem rechtliche Gründe widersprechen. Eine Heimakte oder eine Bauakte kann zum Beispiel nicht einfach von unbeteiligten Personen eingesehen werden. Termine abstimmen, die Einsicht vorbereiten oder gewünschte Unterlagen in Kopie oder als Scan an den Anfragenden schicken gehören natürlich auch dazu. Ebenso das Erstellen von Rechnungen. Und nebenbei alles nachvollziehbar für die Kollegen halten, denn sollte es doch einmal Unstimmigkeiten geben, müssen auch diejenigen die Bearbeitung einer Anfrage nachvollziehen können, die nicht daran gearbeitet haben.

Das ist ganz schön viel, worauf man so achten muss. Natürlich gewöhnt man sich mit der Zeit an diese Aufgaben, doch ist jede Anfrage immer ein bisschen anders, sodass zum Beispiel auch immer ein bisschen anders recherchiert werden muss, oder andere Daten und Unterlagen von den Anfragenden benötigt werden.

Unsere ehemalige Auszubildende übernahm in diesem Jahr auch fest die Bearbeitung der jährlich anfallenden Kassation. Hierbei werden die Unterlagen vernichtet, die im Voraus für nicht archivwürdig befunden wurden. Dafür müssen Listen mit den zu vernichtenden Akten erstellt werden, nach Fachdiensten bzw. -gebieten aufgeteilt. Sie muss mit den Kollegen in den Fachdiensten in Kontakt treten, damit diese wiederum entscheiden können, ob bestimmte Akten doch noch länger aufbewahrt werden sollen oder nicht.

Auch bei der Kassation muss genau aufgepasst werden: Zuerst wird die Signatur geprüft, dann der Inhalt. Zum Beispiel könnten durch Zahlendreher schnell Akten vernichtet werden, die eigentlich noch nicht vernichtet werden dürften und das muss natürlich vermieden werden.

Neben weiteren Lernfeldern sticht im letzten Lehrjahr natürlich die Abschlussprüfung hervor – und damit die Vorbereitung darauf. Hierzu gibt es wenig zu sagen. Sie teilt sich, wie in vielen Berufen, in mündlichen und schriftlichen Teil auf. Sobald man bestanden hat, kann man natürlich in Archiven arbeiten, aber auch in Bibliotheken, Dokumentationseinrichtungen, Museen, Galerien, Medienzentren und vielen weiteren Einrichtungen – die Ausbildung bietet vielfältige Möglichkeiten für den Berufsweg.

Der Beruf ist vielfältiger, als oft angenommen wird. Die bestehenden Akten aus Papier werden auf vorhersehbare Zeit nicht weichen, vor allem nicht die, die bereits Bestand des Archivs sind. Zugleich entstehen laufend mehr digitale Akten, die einen anderen Umgang und somit anderes Wissen fordern. Ein Fehler im Umgang mit einer Akte heute, kann erst in vielen Jahren sichtbar werden, zum Beispiel, wenn diese falsch gelagert wurde, oder mit Materialien in Berührung kam, die zu einem schnelleren Abbau des Materials der Akte führen, zum Beispiel bei Papier.

Alle einzelnen Aufgaben herunterzubrechen, würde den Rahmen dieses Blogs übersteigen. Trotzdem zeigt sich schnell, dass in der Arbeit im Archiv viel Verantwortung liegt – und dass der Alltag nicht daraus besteht, alle paar Tage eine Akte aus einem Regal zu ziehen und intern an einen Fachdienst zu senden, oder einer anfragenden Person vorzulegen.

Damit ist unsere kleine Beitragsreihe zu der Ausbildung im Archiv beendet. Auch in Zukunft werden wir hin und wieder unsere Arbeit im Archiv veranschaulichen, doch im nächsten Beitrag geht es um Anfragen zu Bauakten an unser Kreisarchiv.

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04.09.2023