Vorlesen
Inhalt

Von Archiven und Gedächtnissen

Klar, in Archiven wird ganz viel altes Papier aufgehoben (sowie weitere Medien, auch digital), aber so schwierig kann die Archivarbeit nun auch wieder nicht sein? Da reicht es doch eine Person, ob dazu ausgebildet oder nicht, in das Archiv zu setzen? Diese Person kümmert sich dann darum, Archivschachteln in die Regale zu räumen und bei Bedarf wieder herauszusuchen. Oder nicht?

Die Realität sieht natürlich anders aus. Dass es sowohl Ausbildung als auch Studiengänge gibt, sollte zeigen, dass doch etwas mehr Wissen zur Erledigung der verschiedenen Aufgaben benötigt wird. Archivschachteln werden generell nach System in Räume und Regale gestellt und nicht so wie es einem gefällt. Sollten sie doch einmal der Reihe nach einsortiert werden, so werden (unabhängig der Aufstellung) sowieso verschiedene Informationen zu diesen Akten aufgenommen, um diese Unterlagen auch wiederfinden zu können. Dies wird in dem Beitrag „Das zweite Ausbildungsjahr“ weiter beschrieben. Bei Nutzeranfragen müssen Gesetze beachtet werden und auch das Klima der Räume spielt eine große Rolle. So kann man den Zerfall von Unterlagen so weit wie möglich verlangsamen.

Dies ist natürlich nur ein begrenzter Einblick in unsere Aufgaben, da eine weitere Ausführung den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde. Außerdem erklärt dies nur, dass die Arbeit nicht so einfach ist, wie manche Menschen sich dies vorstellen. Deswegen geht es heute um die Relevanz der Archivarbeit. Für das einfachere Verständnis vergleichen wir Archiv und Gedächtnis, ein verbreiteter und unserer Meinung nach greifbarer Vergleich.

Kurz gesagt, bewahren Gedächtnisse Informationen auf, ebenso Archive. Aber nicht jede angebotene Information wird auch gespeichert. Man merkt sich Wichtiges und Interessantes, anderes wird vergessen. Bei Archiven nennt sich das „Bewertung“. Es wird entschieden, ob das zur Übernahme Angebotene einen bleibenden Wert für die Gesellschaft hat, bzw. eine rechtliche Relevanz besteht. Diese Unterlagen müssen dann so abgelegt werden, dass sie auch wieder abrufbar sind. So ähnlich funktioniert das auch bei Menschen, zum Beispiel durch Lernmethoden wie Eselsbrücken.

Wie erwähnt ist es oft nicht möglich, sich alles zu merken. Aber nicht alle Informationen die vergessen werden sind unwichtig. In dem Fall sucht man Wege, um Informationen einfach wieder abrufen zu können. In der Schule gibt es zum Beispiel verschiedene Hefterfarben für verschiedene Fächer. Möchte man für ein bestimmtes Fach lernen, sieht man sofort anhand der Hefterfarbe, ob in diesem die gewünschten Informationen (also das Lernmaterial) vorhanden sind. Anstelle verschiedener Fächer werden die Archivalien in verschiedene Bestände eingeteilt, dies kann von Archiv zu Archiv sehr unterschiedlich aussehen.

Es kann zum Beispiel zwischen den Archivalien verschiedener Städte im Zugehörigkeitsbereich eines Archivs in einzelne Bestände unterschieden werden. Suchen wir Unterlagen zur Stadt Parchim, so wissen wir, dass wir nicht in den Findmitteln (Hilfsmittel zum Finden gesuchten Archivguts) anderer Städte suchen müssen, da zum Beispiel eine Bauakte zu einem Gebäude in Parchim nicht im Ludwigsluster Bestand zu finden sein wird.

So etwas wie Kurz- und Langzeitgedächtnis gibt es auch.

Als Kurzzeitgedächtnis dient das „Zwischenarchiv“, auch „Verwaltungsarchiv“ genannt. Hier wird all das aufbewahrt, worauf noch eine Aufbewahrungsfrist gilt. Bevor diese Frist abgelaufen ist, dürfen die Archivalien nicht kassiert (vernichtet) werden. Ist die Frist abgelaufen, kommt die zuvor genannte Bewertung ins Spiel. Es wird geprüft, was im Archiv bleiben soll und was nicht. Entweder die Unterlagen werden vernichtet (Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis gelöscht), oder dauerhaft im Endarchiv (beziehungsweise Langzeitgedächtnis) aufbewahrt.

Es gibt allerdings auch Archive ohne Zwischenarchiv, wohingegen eine Person ohne Kurzzeitgedächtnis eher Schwierigkeiten hätte durch den Alltag zu kommen. Die Unterlagen, die im Zwischenarchiv lagern würden, existieren aber trotzdem, nur an anderer Stelle – bei den Verwaltungsmitarbeitern, die diese Akten anlegen. Auch gibt es schlimmere Krisen als eine archivlose Gesellschaft. Doch bei Krisen können wichtige Dokumente abhandenkommen, zum Beispiel bei einem Brand. Werden einige dieser Dokumente dann gebraucht, etwa für Rentenbezüge, sind Archive oft ein Anlaufpunkt.

Genauso wie Museen, erhalten Archive Informationen als Fenster zur Vergangenheit. Wir können nachvollziehen, wie unterschiedlich Menschen zu verschiedenen Zeiten gelebt haben, oder wie unterschiedlich verschiedene Menschen zur gleichen Zeit lebten. Erfindungen und veränderte Ansichten in der Wissenschaft lassen sich besser nachvollziehen, ebenso Umschwünge in verschiedenen Künsten.

Durch die Bewahrung verschiedenster Unterlagen von damals, zum Beispiel Zeitungen, können wir unsere Vergangenheit also besser verstehen. Ebenso werden Menschen in der Zukunft die heutige Zeit besser verstehen können, wenn ihnen Quellen aus der heutigen Zeit zur Verfügung stehen. Dafür müssen diese Informationen dementsprechend bewahrt werden und diese Informationsbewahrung ist (unter anderem) Aufgabe von Archiven.

Eine weitere Aufgabe von Archiven besteht darin, archivwürdige Unterlagen für die Benutzung anzubieten. Um dem (außerhalb der gängigen Nutzung) etwas entgegenzukommen, berichten wir in den nächsten Monaten von interessanten Funden, unter anderem einer Zeitung aus dem Jahr 1958.

Voriger Beitrag     Nächster Beitrag

06.06.2022