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Kleine Archivschätze Nr. 2 - "VEB Nordfrucht Elde Parchim"

Im vorigen Monat beleuchteten wir die Etiketten einer ehemaligen Getränkefabrik. Zumindest einige von ihnen stammen wohl aus den 1950er Jahren und auch in diesem Monat bleiben wir in diesem Jahrzehnt.  Heute geht es um den ehemaligen „VEB Nordfrucht Elde Parchim“. „VEB“ steht hier für „Volkseigener Betrieb“. In der DDR wurden die meisten Betriebe im Zuge von Enteignungen in staatliche Betriebe umgewandelt.

Laut einem in der Akte vorhandenen Bericht zur „Entwicklung des ‚VEB Nordfrucht Elde Parchim‘“ (nicht datiert, ungefähr 1979), entwickelte sich der Betrieb aus dem damaligen Privatbetrieb „Willi Münster“. Dieser wurde 1950 von der damaligen VVB Rostock als Pachtbetrieb übernommen. „VVB“ steht hier für „Vereinigung Volkseigener Betriebe“. In der DDR fassten diese mehrere VEB einer Branche zusammen, um diese gezielter zu steuern, Rohstoffe besser zu verteilen und um insgesamt effektiver zu arbeiten.

Die Fabrik wurde, laut Bericht, wegen vorhandener Betriebsstätte und guten Anbaugebieten für Obst und Gemüse 1951 wiederaufgebaut und der „VEB Nordfrucht Elde Parchim“ entstand. Neben Obst- und Gemüsekonserven wurde auch mit der Süßwaren- und Marmeladenproduktion begonnen. 1967 spezialisierte sich der Betrieb allerdings wieder auf die Obst- und Gemüsekonservenproduktion und 1969 bildete sich das „Verarbeitungskombinat der Wirtschaftsvereinigung Obst, Gemüse und Speisekartoffeln Bezirk Schwerin“. Dazu gehörten neben Parchim die VEB Nordfrucht Güstrow, Conow, Perleberg, RoKoMa Rostock, Esko Stralsund und Tutow.

Die Akte enthält, abgesehen von verschiedenen Statistiken und Jahresberichten, einige Preislisten des Betriebes. Diese Listen sind vorhanden zum ersten Quartal und zum zweiten Quartal 1955, ersten Halbjahr 1957 und eine Liste, die wohl 1957 gedruckt wurde, zu der aber kein Geltungszeitraum vermerkt wurde. Das Sortiment reicht von verschiedensten Süßwaren wie Bonbons über Waffeln zu Marmeladen.

Die Liste zum ersten Quartal 1955 ist leer. Zum zweiten Quartal werden 73 Produkte aufgeführt, davon handelt es sich bei 22 Produkten um Marmeladen. Die Liste ist optisch simpel gestaltet – ohne Verzierungen, wie Zeichnungen, oder farbliche Akzente. Die Liste aus dem ersten Quartal ist ebenfalls simpel gestaltet und beide sind ungefähr im DIN A5 Format gehalten.

Die nächste Liste ist dagegen in blau auffallend bunt gestaltet und innen mit kleinen Zeichnungen ausgeschmückt. Hier stand zuerst, dass sie zum zweiten und dritten Quartal 1956 gelte. Handschriftlich wurde dies aber auf das erste und zweite Quartal 1957 geändert. Möglicherweise wurde eine alte Liste durch handschriftliche Veränderungen angepasst. Gedruckt sind darin 63 Produkte, dabei wurden durch die handschriftlichen Änderungen einige Produkte gestrichen und weitere hinzugefügt, sodass auch hier insgesamt 73 Produkte aufgeführt sind. Ob die Liste so gedruckt wurde, ist allerdings nicht nachvollziehbar. Auf der Rückseite der Liste steht jedoch eine Notiz. Hier steht ungefähr, ob die Kunstdrucke unbedingt notwendig wären und wenn ja, dass dies dann vom Rat des Kreises Schwerin genehmigt werden müsste.

Die letzte Liste wurde wahrscheinlich 1957 gedruckt, für wann sie gelten sollte, ist wie erwähnt nicht vermerkt. Auch sie ist simpel gestaltet, aber fast im DIN A4 Format deutlich größer als die anderen Listen. Hier wurden ganze 88 Produkte aufgeführt. Dabei nehmen Marmeladen, Konfitüren und Obstmus eine Ganze der insgesamt drei Seiten ein.

Im Vergleich der drei Listen, sind die Marmeladenpreise (zumindest für die jeweilig angegebenen Zeiträume) beständig. Kirschmarmelade kostete durchweg 133 DM (Deutsche Mark der Deutschen Notenbank) für 100 kg im Eimer. Hierbei handelte es sich um den „HAP“, also den Handelsabgabepreis. Das heißt, dass dies der Preis ist, zu dem Händler eingekauft haben – der Endpreis für Kunden war höher. Dieser wurde als „VEP“ (Verbraucherendpreis) bezeichnet. Zumindest eine Zeit lang, denn viele der Abkürzungen änderten sich mit der Zeit. Aus „VEP“ wurde später der „EVP“ also der „Einzelhandelsverkaufspreis“.

 Die Abkürzung beziehungsweise Bezeichnung der Währung in der DDR wandelte sich, zum Beispiel, später zu „MDN“ (Mark der Deutschen Notenbank) und dann zu „M“ (Mark der Deutschen Demokratischen Republik/DDR).

Neben den Marmeladen bleibt auch Pflaumenmus stetig bei 154 DM für 100 kg im Eimer (HAP). Eine Änderung ist dagegen bei Orangenmarmelade zu sehen. Der Preis bei der Liste zum zweiten Quartal 1955 und der Liste zum ersten Halbjahr 1957 bleibt gleich, die Marmelade ist bei der 1957 gedruckten Liste allerdings gar nicht mehr zu finden. Ein weiterer Unterschied besteht bei Dragee-Mandeln, welche nur in der Liste zum ersten Halbjahr 1957 aufgeführt sind und Sultaninen-Dragees, die nur auf der Liste zu 1955 aufgeführt sind.

Weiter fanden wir neben den Preislisten (und den zuvor benannten Statistiken und Berichten) wieder Etiketten, eine Einladung und mehr. Ein einzelnes, kleines Etikett bewirbt junge Erbsen, die großen Etiketten (von denen sogar ein kleiner Stapel vorhanden ist) zeigen grüne Erbsen.

Die Einladung ist vom „VEB Nordfrucht Elde Parchim“ selbst. „Quer durch die süße Elde“ war das Thema, wobei damit geworben wurde, dass Angestellte des Betriebes ein Unterhaltungsprogramm erstellten. Die Einladung hat ungefähr Postkartengröße. Doch auch hier können wir nicht sagen, ob es sich nur um einen Entwurf handelt. Jedenfalls sollte dieser „Bunte Abend“ am 11. Dezember 1954 stattfinden.

Ein Heftchen, auf 1974 datiert, gibt „Informationen für den Heimatkundeunterricht über Betriebe aus dem Kreis Parchim“ und wurde wohl vom damaligen Pädagogischen Kreiskabinett Parchim erstellt. Wobei die Aufmachung für jeden Betrieb etwas anders aussieht, zum Beispiel durch simple Diagramme, ist der benannte „VEB Nordfrucht Elde Parchim“ schlicht durch einzelne Punkte unterteilt.

Der Betrieb hatte seinen Sitz in Parchim, an der Ausfahrtsstraße nach Ludwigslust und es waren 220 Beschäftigte angestellt. Davon, so das Heftchen, 150 Frauen. Verschiedene Berufe werden genannt und zu den verarbeiteten Rohstoffen gehörten unter anderen Möhren, Spinat und Grünkohl. Auch 1974 werden Gemüse- und Obstkonserven als Endprodukte genannt. Genauer können Sie dies unten im Foto nachlesen.

Überrascht hat uns dann ein Tütchen, in dem „Vollmilch-Bonbons mit Fruchtfüllung“ verkauft wurden. Als Füllgewicht waren laut Rückseite 110 g vorgesehen, welche für 46 Pfennig verkauft wurden. Die Gestaltung fällt ins Auge, da gelb, orange und blau im Kontrast zueinander hervorstechen und die zwei aufgemalten Bonbons verraten auf den ersten Blick den Inhalt der Tüte.

In eine etwas andere Richtung geht ein Abschnitt eines langen (unbetitelten) Berichts. Dieser scheint von den verschiedenen Produktionswerken zu handeln, nicht nur dem in Parchim. Es geht hauptsächlich um geplante und umgesetzte Produktionsmengen, die Anzahl der Mitarbeiter und deren Ausbildungsgrade und weitere (vergleichende) Statistiken. Auf ein paar Seiten wird aber auch die Entwicklung neuer Produkte erwähnt, dabei vor allem die Fertigmahlzeiten—also Konserven-Gerichte, die nur noch erhitzt werden mussten.

Laut dem Bericht sei in Stralsund ein Produkt entwickelt, „Sauerkraut mit Schinkenpolnische“, welches in die Produktion übernommen worden sein soll. Ebenfalls übernommen worden seien in Conow „Milchreis mit Früchten“ und „Grießbrei mit Früchten“. In Güstrow hingegen werde noch an Schonkost- und Diabetikerkonserven gearbeitet. In Entwicklung stünden dabei zwei Gerichte: „Linsen mit Bauchspeck und Backpflaumen“ und „Spirelli mit Kochschinken und Tomatensoße“.

Dass diese Akte deutlich mehr beinhaltete, als die des letzten Monats, zeigt schon die Länge dieses Beitrages. Und da der Chronikbestand noch einige weitere Unterlagen beinhaltet und auch die Neuverzeichnung eines unserer Bestände immer wieder Interessantes und Unerwartetes aufbringt, können Sie sich nächstes Jahr auf weitere Beiträge in dieser Beitragsreihe zu Archivschätzen freuen.

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07.11.2022