Vorlesen
Inhalt

Ein Tag im Archiv

Ein Tag im Archiv kann ganz unterschiedlich aussehen. Einerseits kommt es immer auf die Anfragen an, die eingehen und welche Arbeit ansteht. Andererseits kommt es natürlich auch darauf an, ob man Bürger:in, Angestellte:r oder Archivar:in bzw. FaMI (Fachangestellte:r für Medien- und Informationsdienste, der Ausbildungsberuf im Archiv) ist.

Eine Bürgerin oder ein Bürger sieht ein Archiv von ganz anderer Seite als Archivmitarbeiter:innen, denn außerhalb einer Archivführung sehen Sie nur den Nutzerraum und die für Sie zur Einsicht bereitgelegten Akten. Die Archivmitarbeiter:innen hingegen sehen jede Ecke, das ist klar. Zumindest ist das hier im Kreisarchiv Ludwigslust-Parchim so.

Archive unterscheiden sich zusätzlich durch die wahrgenommene Funktion der verschiedenen Personengruppen. Für Mitarbeiter:innen ist das Archiv schlichtweg der Arbeitsplatz. Für Bürger:innen sind sie ein Ort der Informationsbeschaffung, um zum Beispiel Verwandte oder Vorfahren zu suchen. Für Kolleg:innen in der Verwaltung hingegen ist das Archiv ein Ort um Informationen abzugeben und bei Bedarf wieder anzufragen. Informationen stehen hier sowohl bei Bürger:innen als auch Verwaltungsmitarbeiter:innen für die einzelnen Akten, in denen die gesuchten Informationen stehen.

Für uns als Archivmitarbeiter:innen ist der tägliche Ablauf gar nicht so leicht zu beschreiben. Jede:r hat seine eigenen Aufgaben. Gleichzeitig vertritt man sich aber zum Beispiel auch während des Urlaubs. Auch unterscheiden sich die einzelnen Anfragen immer wieder, sodass man regelmäßig etwas Neues sieht. Und auch die Bürger:innen, die das Archiv nutzen um Unterlagen einzusehen, haben alle ihre eigene Geschichte. Manchmal benötigen sie Bauunterlagen oder weiterführende Informationen über die Entstehung eines neu erworbenen Hauses. Es gibt auch Personen, die ihre Verwandten suchen, zu denen sie jahrzehntelang keinen Kontakt hatten.

Weiter gibt es Aufgaben, die zum Beispiel nur jährlich oder alle paar Monate bearbeitet werden müssen. Hierzu gehört zum Beispiel die Kassation, also das Vernichten von Akten. Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Archive alles ihnen Dargebotene annehmen und dann auf ewig behalten – ganz im Gegenteil. Hierzu gibt es Aufbewahrungsfristen für die von den Fachdiensten des Landkreises angelegten Akten. Während dieser Zeit befinden sich die Akten zwar in den Magazinräumen (also Lagerräumen) des Archivs, gehören aber noch zu den Fachdiensten. Nach dieser Frist entscheiden die Fachdienste, ob die Unterlagen kassiert werden können, oder doch noch benötigt werden. Ist dies der Fall, wird die Aufbewahrungsfrist verlängert.

Wird diese Frist nicht verlängert, steht die Bewertungsentscheidung an. Das heißt, dass das Archiv entscheiden muss, ob die Akten über die Frist hinaus einen bleibenden Wert haben. Je nachdem entsteht daraus wieder unterschiedliche Arbeit und somit viel Abwechslung.

Wie sieht also ein durchschnittlicher Tag im Archiv aus?

Anfragen zu bearbeiten ist wohl die Aufgabe, die am meisten Zeit in Anspruch nimmt. Anfragen bearbeiten heißt, nach den gesuchten Informationen zu recherchieren, was durchaus Zeit in Anspruch nehmen kann, wenn die Findhilfsmittel (Hilfsmittel zum Finden von Akten) noch in Papierform bestehen. Je nachdem, wonach gesucht wird und welche Informationen in der Anfrage vorhanden sind, sieht der Ablauf auch hier wieder anders aus. Werden Vorfahren gesucht, zu denen Daten wie Namen, Geburtsdaten und Wohnorte bekannt sind, ist die Suche deutlich einfacher, als wenn zum Beispiel nur der Nachname bekannt ist.

Dazu fallen natürlich noch weitere Arbeitsschritte an, wie die Anfertigung von Kopien oder Scans, das Schreiben von Rechnungen und so weiter.

Zu guter Letzt: Wie nehmen Sie Archive wahr? Wie eine weitere Anlaufstelle der Verwaltung? Mehr wie eine Bibliothek—ein Raum, in dem man Kultur und Geschichte erfährt? Oder vielleicht doch ganz anders?

Voriger Beitrag     Nächster Beitrag

01.08.2022